von Marc Niggemann
1998
Stoßstangenairbag
Mit diesem Thema habe ich zum erstemal 1998 bei dem Wettbewerb "Jugend forscht" teilgenommen. Den Regionalwettbewerb hatte ich gewonnen und zusätzlich den "technischen Sonderpreis" der VDE dafür erhalten.
Inhaltsverzeichnis
2 Grundüberlegungen und prinzipielle Funktionen
3.2 Bedingungen für die Auslösung des SAB
3.3 Verdeutlichung des Ablaufes an einem Beispiel
4 Die wirkenden Kräfte im Vergleich von einem PKW mit und ohne eingebautem SAB-System
5 Versuche zum beweis der wirkenden Kräfte
5.1 Verdeutlichung an einem Modell
6 Kombination mit anderen Systemen
8.1 Querschnitt eines Fahrerairbag ohne Verbindung mit der Lenksäule und Lenkrad
8.2 Ausrichtung der Ultraschallsensoren
Diese Arbeit befaßt sich mit der Möglichkeit, durch Airbags vor dem Auto die Sicherheit bei Unfällen zu erhöhen. Die herkömmlichen Airbagsysteme wirken nur auf die Insassen, indem sie sie abfedern und die Kräfte verteilen. Die neue Idee ist, vor einem Unfall die Knautschzone des Fahrzeuges mit Airbags zu verlängern. Aufgrund mangelnder Forschungs- und Testmöglichkeiten mit reellen Airbags, kann diese Arbeit keine ausgereiftes und produktionsfertiges Konzept darstellen. Dennoch wird auf die offensichtliche Steuerungsproblematik und Materialvoraussetzung eingegangen.
Im zweiten Teil, nach dem technischen Aufbau, folgt ein Kapitel, das die Wirkung an Rechenbeispielen mathematisch beweist. Die darauffolgenden Versuche sind als Verdeutlichung und als Beweis für die mathematischen Grundlagen gedacht.
Der letzte Teil befaßt sich mit der Verknüpfung mit anderen Sicherheitssystemen, die ähnliche Techniken benutzen und so eine Gemeinschaftsnutzung anbieten. Ein solches System hätte den Vorteil, daß alle Sicherheitsysteme optimal aufeinander abgestimmt werden können.
Die Grundidee ist es, mit einem Airbag die Knautschzone zu verlängern. Dabei muß der Airbag natürlich explodieren, bevor es zu einem Kontakt zwischen dem Fahrzeug und dem Hindernis kommt. Dazu müssen alle Hindernisse, die sich auf der Straße befinden in regelmäßigen Zeitabständen geortet und als harmloses, kritisches und als unausweichliches Hindernis eingestuft werden. Dieses ist nur mit einer Sensortechnik möglich, die auf alle Materialien regiert sowie bei allen Wetterbedingungen einsatzbereit ist und zu fehlerfreien Ergebnissen führt. Diese Einheit muß mit einem Computersystem gekoppelt sein, daß die Informationen auswertet und bei Hindernissen, bei denen höchstwahrscheinlich ein Kontakt auftreten wird, den Airbag zündet. Im Fall, daß der Airbag gezündet ist und auf das Hindernis auftrifft, soll erst der Airbag zusammengedrückt werden und dann erst die eigentliche Knautschzone des Fahrzeuges.
Dieses System könnte so jährlich, wie der Airbag im Auto, Leben retten und Verletzungen vermeiden. Ein Nebeneffekt ist, daß der Einbau des Stoßstangen-Airbags (kurz: SAB) kostengünstiger sein kann als ein Blechschaden, der bei geringer Geschwindigkeit geschieht.
Der eigentliche Airbag wird in die vordere Stoßstange eingebaut. Zur Stabilisation ist er mit dem Unterbau des Fahrzeuges verbunden. Dieses hat den Vorteil, daß Druckwellen bei einem Unfall von dem Airbag auf den Unterbau weiter verteilt werden. Bei dem Einbau in die Stoßstange wird der Airbag von einer Klappe, die eine Sollbruchstelle hat, verschlossen. Neben dem Airbag werden rechts und links ein Ultraschallsender und Empfänger angebracht.
Ultraschall hat den Vorteil gegenüber anderen Sensorenarten, daß er nicht wie zum Beispiel Infrarotsensoren durch Nebel gestört werden kann. Die Verwendung von Ultraschall ermöglicht auch die Erfassung von Tieren oder Menschen, die von Radarwellen nicht erfaßt werden, zudem ist Ultraschall sehr exakt und läßt so den Abstand zwischen zwei Körpern genau berechnen. Die Berechnung des, kann im Teststadium ein normaler PC übernehmen, der später durch eine einfachere Steuereinheit ersetzt werden kann. Der PC gibt bei einer Überschreitung eines kritischen Wertes ein Signal ab, das von einer Transistorschaltung verstärkt wird und dann ein Relais auslöst, das den Airbag explodieren läßt.
Aufgrund der wirkenden Kräfte (siehe 4.) ist es nicht möglich, einen normalen Airbag aus den üblichen Stoffen zu gebrauchen. Es ist sicherer, einen verstärkten Stoff zu nehmen damit er nicht unkontrolliert platzen kann. Ein Platzen hätte zur Folge, daß Personen, die davon erfaßt worden sind, zusätzlich noch verletzt werden könnten. Ein Material, das diese Belastungen aushält, kann aus der Weltraumforschung genommen werden. Die Sonde Path-finder, die auf dem Planeten Mars gelandet ist, wurde mit Airbags vor den Folgen des harten Aufpralls geschützt. Ein solches Material oder ein anderer Stoff z.B. aus Kevlar, ist fest genug, um bei einem Unfall auftretende Glassplitter unbeschadet kontaktieren zu können.
Die elektronischen Bauteile wie die Sensoren können aus dem normalen Handel bezogen werden. Sie werden keiner außergewöhnlichen Belastung ausgesetzt.
Der SAB muß vom Computer rechtzeitig ausgelöst werden. In dem Fall, daß zu früh gezündet wird, entfaltet er nicht seine volle Wirkung, da das Gas schon vor dem Kontakt entweichen kann. Eine zu späte Zündung würde ihn nicht ausreichend entfalten, bevor der Kontakt mit dem Hindernis stattfindet.
Um Fehlzündungen zu verhindern, muß die erste Bedingung sein, daß das Hindernis mit einer Mindestgeschwindigkeit von 10 Km/h auf das Fahrzeug zukommt. Unterhalb von 7 Km/h Geschwindigkeit kann die Stoßstange größere Schäden und Verletzungen vermeiden.
Die Eigengeschwindigkeit addiert mit der durch die Sensoren erfaßten Geschwindigkeit des Hindernisses ergibt die Aufprallgeschwindigkeit. Die Summe, in Km/h angegeben, muß durch den Faktor 3,6 geteilt werden, um günstigere m/s zu erhalten. Liegt dieser Wert über 2,8m/s = 10 Km/h und unter 10m/s wird die Entfernung 1m gewählt. Der Abstand von 1m wird mindestens benötigt, damit sich der Airbag auch ausbreiten kann.
Liegt die Aufprallgeschwindigkeit über 10m/s, rechnet der Computer weiter, indem er annimmt, daß eine 1/10s zum Zünden ausreicht und er teilt den Wert durch 10. Der daraus folgende Wert ist die Entfernung zum Hindernis (in m), in welchen Abstand spätestens der Airbag gezündet werden muß, wenn die Geschwindigkeit gleichbleibt. Dieser Wert ist immer gleich oder größer 1m.
In einer mathematischen Gleichung ausgedrückt:
Eigengeschwindigkeit = x
Hindernisgeschwindigkeit = y
Fall I
Eigengeschwindigkeit = 30 Km/h
Hindernisgeschwindigkeit = 40 Km/h
In diesem Fall wird der Airbag 1,944 m vor dem Hindernis gezündet. Nach dem Signal des Computers verbleiben noch 100 ms, um den Airbag auszubreiten.
Fall II
Eigengeschwindigkeit = 10 Km/h
Hindernisgeschwindigkeit = 5 Km/h
Die Formel berechnet den günstigsten Abstand zum Hindernis zur Zündung des SAB. Bei gewöhnlichen Unfällen wird die Geschwindigkeit aber mit Annäherung an Hindernisse geändert, wie durch Bremsen oder Beschleunigen des Fahrzeuges. Aus diesem Grund muß der günstigste Abstand immer wieder korrigiert werden.
Die kontrollierte Einschränkung des Sende- und emfangsbereich ist eine weitere nötige Bedingung. Die Scanreichweite muß nicht höher als 20m angesetzt werden, um nur die relevanten Informationen zu erhalten. In dem Erfassungsbereich (Abb. 2) werden auch Gegenstände erfaßt, die sich seitlich der Straße befinden, wie Straßenbäume oder Begrenzungspfosten. Diese Hindernisse verschwinden aber rechtzeitig aus dem Erfassungsbereich und werden nicht als Gefahr registriert.
In dem Fall, daß sich zwei Autos in einer Kurve begegnen, müssen die Ultraschallsender verschiedene Frequenzen haben, damit sie sich nicht gegenseitig auslösen. Zusätzlich werden die Ultraschallsender, ähnlich wie die Scheinwerfer eines Straßenfahrzeuges, mehr zur linken Seite der Fahrbahn ausgerichtet (siehe "Ausrichtung der Ultraschallsensoren" im Anhang)
1. Das Fahrzeug mit dem SAB-System (Fahrzeug A) wird in einen drohenden Unfall verwickelt, z.B. mit einem anderen Fahrzeug, das die Vorfahrt nimmt (Fahrzeug B).
2. Der Ultraschallsender gibt in kontinuierlichen Zeitabständen Signale aus. Zwei Signale werden nun von dem Fahrzeug reflektiert, das die Vorfahrt genommen hat, und vom Empfänger in Signale für den Computer umgewandelt. Aus der Laufzeit der Schallwellen kann nun der Computer die Entfernung wie ein Echolot errechnen. Mit der zeitlichen Differenz von den zwei Signalen läßt sich die Geschwindigkeit genau feststellen.
3. Mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h ist der normale Bremsweg etwa 25m. Die Sensoren und der Computer erfassen, daß ein Gegenstand mit 50 km/h auf sie zukommt und nur 10m entfernt ist zum Zeitpunkt, als das Fahrzeug B aus einer Einfahrt kommt.
4. Der Computer wartet den letzt möglichen Zeitpunkt ab, um das Signal an den Airbag zu geben. Dabei wird der Zeitpunkt aber immer wieder korrigiert.
5. Der Computer löste den SAB aus und die Fahrzeuge fahren zusammen. Der Airbag wird zusammengedrückt, anschließend wird die Seite des Fahrzeugs B eingedrückt und die Motorhaube mit dem Motorraum des Fahrzeugs A bildet die nächste Stufe der Knautschzone.
V 1)
Annahme:
Ein normales Auto mit einer Knautschzone (s1) von 60 cm, fährt mit 40 km/h gegen eine Betonwand. Die Insassen werden von dem Gurtsystem weitere 20 cm abgebremst (s2).
Innerhalb der 80 cm werden die Insassen auf 0 km/h abgebremst. Wie hoch ist die Beschleunigung der Insassen.
s1 + s2 = 0,8 m
v = 50 km/h = 18, 888 m/s
Gewicht des Insassen 70 kg
Formel für die Bremsverzögerung: a = v02 /2*s
Der menschliche "... Brustkorb muß die verzögernde Kraft (...) aushalten. Dies ist kurzzeitig möglich ; Sie überleben, vielleicht mit angebrochenen Rippen."
Annahme:
Die Knautschzone wird durch den SAB um 40 cm verlängert.
Durch die Verlängerung der Knautschzone des Fahrzeuges wurde die Kraft um 1/3 gesenkt. Die Verletzungsgefahr ist wesentlich geringer.
Versuchsaufbau:
Um das Modell einem Auto möglichst genau nachzuempfinden, beginnt das Modell mit der Stoßstange, die direkt mit der Knautschzone verbunden ist. Die Stoßstange kann zwischen zwei Platten geschoben werden, wobei der Reibungswiderstand durch zwei Schrauben variiert werden kann. Um den Schwerpunkt zu verschieben, ist ein Gewicht angebracht. Der SAB wird durch einen Luftballon vor der Stoßstange simuliert. Die wirkenden Kräfte werden von einem Gewicht gemessen, das nach vorne geschleudert wird, sobald das Modell gegen die Wand schlägt.
Durchführung:
Erster Versuch beginnt mit dem Loslassen des Modells aus einer bestimmten Höhe. Es schlägt gegen die Wand und die Knautschzone wird eingedrückt. Trägheitskraftmessung zeigt an, wie heftig der Insasse eines Autos nach vorne geschleudert würde.
Bei dem Versuch wird der Luftballon an der Stoßstange befestigt und mit dem richtigen Verhältnis zu der Knautschzone mit Luft gefüllt.
Vermutung: Der Ausschlag der Trägheitskraftmessung wird um 1/3 vermindert, da ein Teil der Kraft von dem Luftballon in Verformungskräfte umgewandelt wurde.
Beobachtung: (noch nicht realisiert)
Um die Funktionsweise des SAB an einem Modell zu verdeutlichen, muß ein einfaches Verfahren die Wirkungsweise simulieren.
Der Auslösemechanismus besteht bei dem Modell aus einem infrarotlicht empfindlichen Widerstand, der ein Relais schalten kann. Das Modell fährt eine Rampe hinunter gegen eine Wand. In der Wand ist eine Infrarotlichtqelle angebracht, die das Modell anleuchtet. Der Fotowiderstand verringert den Widerstand, je näher er an der Lichtquelle ist. Ein Strom, der durch den Widerstand fließt, kann durch eine Transistorverstärkerschaltung soweit verstärkt werden, daß er ein Relais schaltet.
Wenn nun das Modell mit der Schaltung der Mauer nahe genug ist, ist der Widerstand des Fotowiderstandes ausreichend klein und der Strom löst das Relais aus. In der Realität würde der Airbag explodieren und den Kontakt mit der Mauer in seiner Wirkung mindern. Bei diesem Modell wird nur eine Lampe aktiviert.
Der wesentliche Unterschied zwischen dem vereinfachten Modell und dem reellen Aufbau ist, daß sofort der Mechanismus ausgelöst wird, ohne daß geprüft wird, ob das Modell vor der Mauer noch anhält oder nicht.
Der SAB ist sicher nicht als Ersatz für andere Sicherheitssysteme im Fahrzeugbereich zu verstehen, vielmehr als ergänzendes System, um die Sicherheit im Fahrzeug zu verbessern und zu optimieren.
Es ist auch denkbar, dieses System mit anderen zu koppeln. Eine zentrale Elektronik könnte den Innenairbag und den Gurtstraffer mit dem SAB sinnvoll kombinieren und zeitlich optimal steuern.
Die verwendete Elektronik kann auch von anderen Systemen parallel genutzt werden. Eine elektronisches Auffahr- oder Abstandshaltesystem, das mit dem Bremssystem gekoppelt ist, kann so die gleiche Elektronik nutzen. Dieses macht die Sicherheitstechnik nicht zu teuer. Sie könnte auch für verhältnismäßig kostengünstige Autos genutzt werden.
Dieter Bitterle; Die große Schaltungssammlung, Messen- Steuern- Regeln mit dem PC, Franzis, Feldkirchen, 1996².
Dieter Nührmann; Optoelektronik; Fernsteuerschaltungen Steuer- und Regeltechnik, Franzis-Verlag GmbH, München, 1984.
Franz Bader; Friedrich Dorn; Physik Oberstufe MS, Schroedel Schulbuchverlag, Hannover, 1983.
German Alan; Dalmotas Dainius; McClafferty Kevin J.; Nowak Edwin S.; Real-World Collision Experience for Airbag Technology, Proceedings of the Canadian Society for mechanical Engineerine Forum on the Theory of Machines and Mechanisms and Advances in Transportation Systems; May7-9, 1996, Hamilton, Ontario.
Microsoft; Encarta 97 Enzyklopädie, o.O., 1996.